Wer ein Mietshaus abreißt, soll in vergleichbarer Lage neue, bezahlbare Mietwohnungen bauen – mit der Regelung wollte die Stadt München einer Verschärfung des Wohnungsmangels durch die schleichende Umwandlung in Eigentumswohnungen begegnen. Doch das wird vorerst nichts. Erst kippte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof Anfang 2021 die Satzung wegen Verstoßes gegen das Zweckentfremdungsgesetz. Nun wurde eine gegen das Gesetz erhobene Popularklage der Stadt vom Verfassungsgerichtshof als unzulässig abgewiesen, wie das Gericht am Montag mitteilte.
Sozialreferentin Dorothee Schiwy sieht deshalb nun die Staatsregierung in der Pflicht. «Das Zweckentfremdungsgesetz muss so geändert werden, dass Ersatzwohnraum auch ein echter Ersatz ist», forderte Schiwy. Erst dann sei es der Landeshauptstadt München möglich, eine Änderung der städtischen Zweckentfremdungssatzung zu veranlassen, die einen noch wirksameren Schutz des Wohnraums für die Münchner Bürgerinnen und Bürger möglich mache. Als Zweckentfremdung gilt demnach unter anderem der Abriss von Mietwohnungen.
In der am Montag veröffentlichen Entscheidung wies das Gericht die Popularklage der Stadt München als unzulässig zurück. Die Stadt habe nicht ausreichend die Verletzung eines Grundrechts oder eines grundrechtsgleichen Rechtes gerügt, heißt es in der Entscheidung vom 24. August.
Die Stadt hatte die Satzung mit den strittigen Punkten 2017 erlassen. Der Verband Haus und Grund sah die Verfügungsbefugnis der Eigentümer eingeschränkt und klagte. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) erklärte zwei Bestimmungen in einem Normenkontrollverfahren für unwirksam, weil sie seiner Ansicht nach gegen das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG) verstießen.
Die Stadt München erhob daraufhin Popularklage gegen das Gesetz. Sie berief sich unter anderem auf das in der Bayerischen Verfassung festgelegte Recht der kommunalen Selbstverwaltung, die Sozialbindung des Eigentums und den Anspruch auf eine angemessene Wohnung. Der Verfassungsgerichtshof sah das anders. Es seien keine ausreichenden Anhaltspunkte zu erkennen, dass Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte verletzt sein könnten, heißt es in der Entscheidung.
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) reagierte enttäuscht. «Ersatzwohnraum ist in einer Großstadt wie München nur dann ein echter Ersatz, wenn er auch zu den gleichen Preisen und im gleichen Stadtviertel wie vorher vermietet wird», sagte Reiter. Diese Entscheidung gehe leider zu Lasten der Mieterinnen und Mieter in München.
Das Bayerische Bauministerium dagegen begrüßte die Entscheidung. Nach der Regelung des Zweckentfremdungsgesetzes könne eine Genehmigung etwa für den Abriss von Wohngebäuden erteilt werden, wenn der Eigentümer angemessenen Ersatzwohnraum bereitstelle. Konkrete gesetzliche Vorgaben hinsichtlich der Lage des Ersatzwohnraums und der Höhe der Mieten würden dem Ansinnen des Zweckentfremdungsrechts aber widersprechen. «Das Zweckentfremdungsrecht dient allein der Bekämpfung von örtlich vorhandenem Wohnraummangel und ist kein Instrument zur Einflussnahme auf den Wohnungsmarkt, insbesondere auf die Miet- und Immobilienpreisentwicklung», sagte ein Sprecher.